Wird trotz zweieinhalb Stunden nie langweilig

„Mission: Impossible – Dead Reckoning / Part One“ von Christopher McQuarrie

von Renate Wagner

Mission: Impossible – 
Dead Reckoning / Part One
USA 2023

Regie: Christopher McQuarrie
Mit
: Tom Cruise, Hayley Atwell, Simon Pegg, Ving Rhames, Esai Morales u.a.
 
Tom Cruise, geboren am 3 Juli 1962, hat vor wenigen Tagen seinen 61. Geburtstag gefeiert (oder eher begangen, denn welcher Star feiert schon den Einbruch des Alters?). Immerhin, nach derzeitigen Lebenserwartungen hat er noch ein Drittel seiner Erdentage vor sich, und die will er zweifellos nicht „in Pension“ verbringen. Wobei die Zeit, daß man ihm „echte“ Filme auf den Leib schrieb, vorbei zu sein scheint. Es reicht nur noch für die Variationen alter Erfolge.
Aber man kann Zitronen auspressen, solange noch das kleinste bißchen Saft darin ist. Man muß nur die Werbemaschine anwerfen und alles mobilisieren, was an Erinnerungswerten noch funktioniert. So hat Tom Cruise erst im Vorjahr seinen „Top Gun“-Hit von 1986 (!) revitalisiert, und das mit erstaunlichem Erfolg.
Aber zum Blockbuster-Superstar hat ihn „Mission Impossible“ gemacht, der Action-Knaller von 1996, der bisher fünf Fortsetzungen (2000: Mission: Impossible II / 2006: Mission: Impossible III / 2011: Mission: Impossible – Phantom Protokoll / 2015: Mission: Impossible – Rogue Nation / 2018: Mission: Impossible – Fallout) gefunden hat. Und nun kommen die Filme 7 und 8 im inhaltlichen Doppelpack, der erste jetzt, der zweite nächsten Sommer, damit das Werkel am Laufen bleibt. Und wie im Fall von „Indiana Jones“ hat man es mit einer ziemlich genauen Replik der Vorgabe zu tun, Retro, Vintage, wie immer man es nennen will.
 
Tom Cruise spielt mit einem wohl von Botox aufgeblühtem Gesicht, das faltenlos vorgeben soll, er sei nicht gealtert, wieder Ethan Hunt, den Wundermann, der alles kann und der so unzerstörbar ist wie eine Comic-Figur. Das Team dieser Agenten der besonderen Art hat sich im Lauf von mehr als einem Vierteljahrhundert immer wieder geändert, aber essentiell ist Ving Rhames als Luther Stickell von der ersten Stunde an dabei. Und als unersetzlich hat sich Simon Pegg als: „Benji“ Dunn erwiesen, der ab dem dritten Film dazu stieß und seine Figur immer ausbaute. Hier ist er (als zappeliger Helfer mit allen Computerkünsten der Welt vertraut) auch der Mann, der immer für Comic Relief sorgt.
Die Zeiten, als noch echte Kaliber (Vanessa Redgrave, Anthony Hopkins, Philip Seymour Hoffman) in diesen Filmen zu sehen waren, sind allerdings vorbei. Was die Damen an der Seite von Ethan Hunt betrifft, so hat sich die Ehefrau verabschiedet und Rebecca Ferguson als Kollegin Ilsa Faust (seit dem fünften Film vage als Love Interest dabei) wird abgesägt, im vollen Wortsinn, in Venedig haucht sie ihr Leben aus. Und das, damit die neue Dame nicht gestört wird:
Hayley Atwell als Meisterdiebin Grace hat, weil vor allem in englischen Fernseh-Serien zuhause, ein unverbrauchtes Filmgesicht und koppelt die Attraktivität einer Frau um die Mitte Dreißig mit sprühendem Temperament. Sie nützt jede Gelegenheit. frech, undurchsichtig und auch körperlich beweglich, wo nötig, die Szene zu beherrschen.
An Rande noch dabei – Vanessa Kirby als die von früher bekannte Dealerin „die weiße Witwe“ und die blonde Pom Klementieff als hoch gefährliche Killerin wie aus dem Bilderbuch.
Sie steht an der Seite des „Bösewichts“ Gabriel (attraktiv und fies Esai Morales), und wie immer jagt man einem „fatalen“ Requisit nach, diesmal ist es ein Schlüssel, der aus zwei ineinander zu fügenden Teilen besteht und der imstande sein soll, dank künstlicher Intelligenz die Computer der ganzen Welt zu beherrschen (nicht schlecht als Vorgabe…).
 
Daß Ethan Hunt und die Seinen in jedem Film (wie einst James Bond) die ganze Welt retten müssen, versteht sich. Ein anderes Element, das „Mission Impossible“ berühmt gemacht hat, daß sich nämlich Ethan und seine Leute gelegentlich in jemand ganz anderen verwandeln (durch künstliche Kopfmasken aus Latex – Kinderkino, klar, aber so ist es nun einmal), wird diesmal allerdings eher selten eingesetzt. Daß die US-Behörden ja doch die „Bösen“ sind, denen man nicht trauen kann (hier erfüllt das Henry Czerny als Eugene Kittridge), ist gewissermaßen ein Running Gag der Serie.
Aber all das sind nur die Beigaben zum Essentiellen – daß hier mit möglichst atemberaubender Geschwindigkeit von einer Action Szene zur nächsten geeilt wird. Die Serie hat mit dem bisher Gezeigten die Latte an Unglaubwürdigem, Wahnsinnigem ziemlich hoch gelegt, im Vergleich dazu bleibt man diesmal im Mittelfeld, aber das ist zwischen der Wüste, dem Flughafen von Dubai und Rom (eine Autojagd, wobei Ethan und Grace mit Handschellen an einander gefesselt sind), London, Venedig und angeblich Tirol (gedreht in Norwegen) immer noch heftig genug.
 
Ein Kampf auf dem Dach des dahinrasenden Zuges ist zwar uralt, aber halt immer wieder witzig. Und das Zugunglück am Ende (ein Waggon nach dem anderen kracht eine kaputte Brücke hinunter in den Abgrund) sucht seinesgleichen. Christopher McQuarrie, der schon die beiden voran gegangenen Filme inszeniert hat (freilich, zu Beginn waren es Brian De Palma und John Woo), bleibt an Stunts und wüster Zerstörungswut nichts schuldig.
Und Tom Cruise alias Ethan Hunt kann wieder alles (abgesehen von seinen Spezialitäten: Laufen, nein rennen wie ein Wilder und auf dem Motorrad Irres vollbringen – etwa damit durch die Lüfte zu segeln). Da wird einem auch bei einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden nie langweilig.
 
 
Renate Wagner